Vier Gänge hinter Gittern

Trend: Abendessen im Gefängnis

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Enthusiastische Kundenbewertungen und ausgebuchtes Lokal: Mailands Sträflinge begeistern mit ihren Gerichten!

Die Kundenbewertungen auf Tripadvisor sind enthusiastisch. Die Gerichte seien exzellent, die Bedienung sei sehr professionell und das Ambiente freundlich. Doch das Restaurant "In Galera" (Im Häf'n) ist kein Lokal wie die vielen anderen in der Finanz- und Modehauptstadt Mailand. Es ist Italiens einziges Restaurant in einem echten Gefängnis.

Feinschmeckerparadies im Häf'n

Tintenfisch mit Risotto, Pasta mit Speck und Pistazien, Fischgerichte jeder Art: Das Restaurant im Gefängnis Bollate kann ohne weiteres mit den angesehensten Lokalen der Feinschmeckermetropole Mailand konkurrieren. Die Möbel sind hell und modern, Kellner in weiß bedienen die Gäste und empfehlen ihnen die besten Weine aus der Enothek. An den Wänden hängen vielsagende Filmposter von "Die Flucht aus Alcatraz" oder "Gesprengte Ketten". Allein Gitter an den Fenstern erinnern daran, dass sich das Lokal in einem der größten Gefängnisse Italiens befindet, in dem Dutzende Sträflinge lebenslange Haft absitzen. Die Anstalt am Rande Mailands zählt zu den fortgeschrittensten europaweit, was Projekte zur Förderung der Häftlinge betrifft.

Wer das Restaurant besuchen möchte, muss früh reservieren

Die Gäste von "In Galera" werden von Inhaftierten bekocht und bedient. Das Konzept ist, Gefangene für den Arbeitsmarkt später vorzubereiten. Das Restaurant wurde 2015 eröffnet und ist inzwischen in Mailand so populär geworden, dass die Tische über Wochen hinweg komplett ausgebucht sind. Die Preise entsprechen einem normalen Restaurant. Das Gericht des Tages kostet zwölf Euro, für ein komplettes Menü gibt man zwischen 52 und 60 Euro aus. Das Restaurant ist sowohl mittags als auch abends offen, von Montag bis Samstag.

Der Zugang zum Restaurant ist unkomplizierter als man denkt. Kunden müssen ihren Besuch telefonisch ankündigen und ihren Namen angeben. Sie werden am Eingang des Gefängnisses empfangen und durch den Besucherraum der Strafanstalt geleitet. Handys muss man am Eingang nicht abgeben, es gibt auch keine Ausweiskontrolle.

Zur Zubereitung der Speisen und für das Kundenservice sind Straftäter zugelassen, die zu längeren Haftstrafen - bis zu 15 Jahren - verurteilt worden sind. Sie sind 20 bis 55 Jahre alt, viele von ihnen Ausländer. "Sie müssen Zeit haben, die Arbeit zu erlernen. Jeder von ihnen erhält ein Monatsgehalt von 850 bis 1.200 Euro", berichtet Silvia Polleri, Präsidentin der sozialen Organisation ABC Catering, die das Restaurant betreibt, im Gespräch mit der APA.

Catering-Service für Hochzeiten, Geburtstage und andere Events

Hohe Qualität und Kompetenz ist für Polleri, seit Jahren erfolgreich im Cateringgeschäft aktiv, das höchste Gebot. "Man denkt fälschlicherweise, dass soziale Projekte mit niedriger Qualität verbunden sind. Wir beweisen genau das Gegenteil. Das Restaurant macht Gewinne und wir sind bestrebt, ein Angebot auf Spitzenniveau zu garantieren", betonte Polleri, energische Initiatorin des Projekts.

Mit Häftlingen betreibt die 66-Jährige auch ein Catering-Service, das in der ganzen Region für Hochzeiten, Geburtstage und andere Events auf Topebene gefragt ist. "Unsere Kellner bedienen mit weißer Kleidung und Goldknöpfen. Silberbesteck und Leinentischdecken gehören zu unserer Bedienung", berichtet Polleri. Wenn die Sträflinge ihre Haft abgebüßt haben, finden sie leicht einen Job in der Gastronomie. Wer mit beruflicher Kompetenz wieder in die Welt zurückkehre, laufe weniger Gefahr, zum Wiederholungstäter zu werden, meint Polleri.

Die Mailänderin glaubt, dass die Kunden anfangs zwar aus reiner Neugier das Häf'n-Restaurant besuchen, von der Qualität des Lokals aber überzeugt werden und wieder kommen. "Wenn sie einmal hier sind, sind sie von der warmen Atmosphäre und dem Angebot positiv überrascht. Wichtig ist uns, dass sich die Menschen der Strafanstalt nähern und begreifen, dass auch Häftlinge Mitglieder der Gesellschaft sind, auch wenn sie von ihr vorübergehend ausgegrenzt wurden" , sagte Polleri.

Neues Gefängnis-Restaurant auch bald in Berlin?

Inzwischen wächst im Ausland das Interesse für das Gefängnis-Restaurant. Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt will sich an Mailand ein Beispiel nehmen und denkt daran, in Berlin ein ähnliches Restaurant einzurichten. Polleri ist erfreut, dass ihr Projekt Beifall findet. "Wir sind jedoch keine Franchise-Kette. Jede Strafanstalt muss für sich angemessene Lösungen finden", betont sie.

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